Was ist Bildung überhaupt?
Wenn aus politischen Kreisen ständig behauptet wird, etwas für die Bildung machen zu wollen, bleibt doch die Frage unbeantwortet, was Bildung überhaupt ist. Zählt das Lesen, Schreiben und Rechnen können bereits zur Bildung und wenn ja, zu welchem Teil? Es gibt ausgewiesene Profivorleser, denen man gerne zuhört, Schreibkünstler, die aus einem riesigen Wortschatz schöpfen und Mathematiker, denen es Spaß macht, sich über ungelöste Integrale herzumachen. Kann eventuell der Grad der Bildung einer Gesellschaft an den Zugangszahlen der Universitäten festgemacht werden, oder reicht die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss, in Deutschland sind das etwa 60.000 Schüler jedes Jahr als Indikator für den Grad der Bildung aus? Sind hochspezialisierte Fachleute gebildet, weil sie sich einem Thema verschrieben haben und über Nebenfachgebiete nicht Bescheid wissen? Ist etwa ein Künstler gebildet, der wie Chagall und Tizian Gemälde malt?
Früher gab es sie noch
In früheren Zeiten hat sie noch gegeben, unabhängig arbeitend, für sich und für andere zum Wohl, den Privatgelehrten. Sie waren belesen, niemandem verpflichtet auf Brot und Arbeit. Sie kannten sich in der Linguistik aus, hatten die Klassiker des Schrifttums verinnerlicht und konnten als Vordenker für gesellschaftliche Veränderungen gesehen werden. Heute steht ein Wissenschaftler, gleich welcher Fakultät, in der Regel in einem Arbeitsverhältnis, das ihn dazu zwingt, Erfolge vorzuweisen, um seinen Lohn
zu verdienen. Und wenn es einmal einem Tüftler gelingen sollte, aus eigenem Antrieb eine revolutionäre Idee in die Tat umzusetzen, kommen Großkonzerne auf ihn zu und kaufen ihm das Gedankenkonstrukt ab. Aus einigen Kreisen ist zu hören, dass gerade in der Automobilindustrie viele gute Ansätze zur Mobilität in den Schubladen liegen und schon viel früher damit hätte angefangen werden können, dem Verbrennungsmotor den Kampf anzusagen, weil es unzählige Alternativen dazu gibt.
Bildung erwirbt man wo?
Da es heute ein anderes Kindbild als früher gibt, beginnt die Bildung nach dem Willen der Politik bereits in der Kita. Während in früheren Zeiten das Kind vorwiegend im Kindergarten mit anderen gespielt und gebastelt hat, um soziale Kompetenz zu erlernen und einwenig selbstständig zu werden, beginnt man heute damit, den Kindern einige Bocken englisch schon im Kindergarten beizubringen. Und ist der Einschulungstag gekommen, haben die Lehrer die fast unlösbare Aufgabe, die Wissensstände der Schüler einigermaßen zu bündeln, um ihr angestrebtes Ziel zu erreichen. Von dem Einklässler, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist zu dem, dessen Eltern großen Wert darauf gelegt haben, dass das Kind seinen Namen schon schreiben und mindestens bis Zehn rechnen kann. Diese ungleichen Zugangsvoraussetzungen, die Eltern, Lehrer und auch die Politik kennen, haben dazu geführt, dass schon fünf Prozent aller Schüler Privatschulen besuchen. Ob das der richtige Weg ist, bleibt solange unbeantwortet, bis das Ergebnis feststeht und der Vergleich zwischen einem Abitur an einem normalen Gymnasium und dem einer Privatschule stattgefunden hat. Dazu gibt es bisher aber keine Untersuchungen.
Wo wird Bildung abgeholt?
Während vor vierzig oder fünfzig Jahren die Bildung vorwiegend in der Schule, Berufsschule, den Universitäten und in einer Bibliothek stattfand, sind heute andere Wege erschlossen. Hat man sich früher noch mit einer Schullektüre beschäftigt und sich als Begleitheft die Königsberger Erläuterungen gekauft, ist das heute sehr anders. Das Internet, in dem alles zu finden ist, und jede noch so komplizierte Fragestellung beantwortet wird, ist hilfreich. Sie gibt Lehrfilme bei Youtube zur Mathematik, Physik, Chemie, um nur einige zu nennen. Lehrer eröffnen Chatgruppen bei Whats-App für ihre Schüler auch zur Hausaufgabenbetreuung. Ist da vielleicht die Aussage erlaubt: Ich kenne die Antwort zwar nicht, aber ich weiß, wo ich sie finden kann.
Definition Bildung
Hier stößt auch das Internet an seine Grenzen, oder besser, diejenigen, die dafür schreiben. Es gibt keine einheitliche Definition für Bildung, denn Bildung ist nicht nur Wissen, sondern auch Handlung zugleich und ständig im Fluss. Einer, der es einmal versucht hat ist Wilhelm von Humboldt.
(Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt, geboren am 22. Juni 1767 in Potsdam; gestorben am 8. April 1835 in Tegel. Er war ein preußischer Gelehrter, Schriftsteller, Staatsmann und Bildungsreformer)
Er definierte Bildung als „die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen“
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