„Noch wach?“ von Benjamin von Stuckrad-Barre

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"Noch wach?" von Benjamin von Stuckrad-Barre

Wow. Wann bitte hat eine Buchveröffentlichung solche Reaktionen und Schlagzeilen hervorgerufen? Benjamin von Stuckrad-Barre, der häufig als König der Pop-Literatur bezeichnet wird, hat mit „Noch wach?“ wahrscheinlich einen bedeutsamen Schlüsselroman geschrieben, der nahtlos an vergangene und bestehende Skandale und Fehltritte anknüpft, die mit einem sehr großen und auch real existierenden Medienverlag zu tun haben.

Bevor ich zu der Besprechung des Inhalts komme, möchte ich auf einen Podcast verweisen, der parallel zum Lesen von „Noch wach?“ gehört werden sollte. Er ist mehr als der Soundtrack zum Buch, aber vertieft Gefühle und Empfindungen, die in dem Buch zwar deutlich herausgearbeitet werden, aber hier durch direkte Aussagen von Betroffenen und aufschlussreichen Recherchen eine andere Ebene erreichen. Der Podcast ist exklusiv bei Spotify unter dem Titel „Boys Club – Macht & Missbrauch bei Axel Springer“ zu finden.

Bei dem fiktionalen Roman „Noch wach?“ von Benjamin von Stuckrad-Barre wird auf allen Plattformen vermutet, dass zwei Charaktere in dem Buch an die Personen Mathias Döpfner und Julian Reichelt angelehnt sind. Häufig wird erwähnt, dass der Autor des Buch eine langjährige Freundschaft zu Mathias Döpfner pflegte, sodass er im Dunstkreis dieser Menschen verschiedene Erlebnisse, Geschichten, Beichten und Gerüchte miterlebte, die ihn möglicherweise zu diesem Roman inspirierten. Das Mittel der Fiktion wird kritisiert, gelobt und diskutiert.

Schlüsselroman, Tagebuch, Rache, Fiktion, Abrechnung und mehr

Was ist ein Schlüsselroman?

Ein Schlüsselroman ist in der Literatur ein Roman, der so geschrieben ist, dass er als wahre Geschichte gelesen werden kann, soll oder muss. Durch den Bezug zu realen Ereignissen verwischt ein solcher Roman stilistisch Fiktion und Wirklichkeit. In diesem Fall ist es die aktuelle Berichterstattung über Machtmissbrauch und die Nähe von Benjamin von Stuckrad-Barre zu den beteiligten Personen, die dafür sorgen, dass über den Anteil an Fiktion in diesem Roman fleißig diskutiert wird.

Einzigartiges Buch-Marketing erzeugt Hype

Das Feedback zu dem Buch begann schon vor der Veröffentlichung, denn der Autor des Buchs hat eine gewaltige Marketing-Maschinerie angeschmissen, die ich so in der Welt der Bücher noch nie gesehen habe. Zahlreiche Prominente sprechen Kapitel-Überschriften bei Instagram ein, die Buchveröffentlichung findet seinen Slot in der Tagesschau und der Autor ziert wenige Tage nach der Veröffentlichung unter dem Titel „Wie viel Wahrheit steckt in Ihrem Roman, Herr von Stuckrad-Barre?“ das Cover des Spiegel-Magazins, in dem er ein großes Interview zu dem Thema gibt.

Die große Aufgabe von Verlag und Benjamin von Stuckrad-Barre besteht darin, dass der Roman reine Fiktion ist und so juristisch nicht anfechtbar. Dieser Zustand brachte den Gedanken hervor, dass das Buch vielleicht nicht lange ohne Zensur und Korrekturen verfügbar sei und das sorgte für einen massiven Ansturm auf das Buch.

Hier ein sechsminütiger Beitrag bei „Titel, Thesen, Temperamente“ in der ARD über die Buchpremiere:

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Kritik am Geschlecht des Autors

Rein sprachlich haut der Autor seine Leser:innen mit feinen Formulierungen und Sprachbildern um, doch in den Kritiken gibt es viele Facetten und Angriffe. Einige werfen die Frage auf, ob ausgerechnet ein männlicher Autor als Stimme der Frauen agieren muss, der für die Opfer spricht. Jedoch geht es in dem Buch auch um die Ängste vor Frauen, die Strukturen rund um den Machtmissbrauch anzusprechen und da empfinde ich es so, dass es doch besser ist, wenn ein Mann das Thema auf seine Weise angeht, als wenn es am Ende niemand macht.

Wobei dies auch nur eine Teilwahrheit ist, denn im oben empfohlenen, und nahezu zeitgleich erschienenen Podcast, aber auch in anderen aktuellen Veröffentlichungen, kommen zum Glück betroffene Menschen zu Wort und äußern sich über die vorherrschenden Machtstrukturen.

Schnell bin ich bei der vielleicht dummen Aussage, dass Benjamin von Stuckrad-Barre keine Frau daran hinderte, einen ähnlichen Roman zu verfassen, es aber vielleicht hilfreicher für die Bekanntmachung dieser Strukturen ist, wenn es eine etablierte Stimme mit großer Fanbase macht. In einem Interview bezieht sich Benjamin von Stuckrad-Barre auf diese Ebene der Kritik und fragt zurück, ob es für jemanden besser sei, dem solche Geschichten und Erfahrungen geschildert worden seien, dann diese nicht verarbeiten?

Diese Frage stelle ich mir beim Lesen des Buchs auch immer wieder, aber bin dann gleichzeitig vom nächsten Sprachbild so fasziniert, dass ich ihn für den richtigen Autor dieser Geschichten halte. Ja, ich bin ein Stucki-Fanboy, doch ich habe die hier vielleicht erzählten Erlebnisse und Skandale in den vergangenen Monaten immer verfolgt, doch ob mich andere Bücher zu dem Thema so schnell zum Lesen gebracht hätten?

Geschichte über eine Freundschaft

Dann ist zu lesen, dass es um eine persönliche Enttäuschung geht, die jemand erfahren hat, der von einem engen Freund verraten wurde. An anderer Stelle ist zu lesen, dass der Drahtseilakt zwischen Fiktion und Realität so offensichtlich begangen wurde, dass es sich der Autor hier zu leicht gemacht habe.

Ich empfinde einige Facetten der Kritik als unangebracht, denn egal welche Position der Autor in all den realen Geschichten einnimmt, er erwischt mal wieder in seinem Roman den Zeitgeist und hat ein für ihn typisches Werk herausgebracht, welches seine Fans begeistert lesen. Benjamin von Stuckrad-Barre setzt die Kunst des geschriebenen Wortes sowohl elegant, blumig, als auch knallhart mit dem Hammer auf das Offensichtliche ein.

Nun denke ich stellenweise allerdings auch, dass wenn jemand all die Vorwürfe, Skandale und Geschichten miterlebt oder erzählt bekommen hat, dass ein klares Statement bei der Aufarbeitung dieser Strukturen hilfreich war. Doch am Ende sind es vielleicht Hörensagen, nicht belegbare, aber stattgefundene Erlebnisse, die es über den Weg der Fiktion einfacher und breiter an die breite Öffentlichkeit schaffen.

Nun aber zu dem Buch

Ich habe beinahe alle Werke von Benjamin von Stuckrad-Barre entweder gelesen oder gehört, sodass mich sein Schreibstil ab der ersten Seite wieder eingefangen hat. Die popkulturellen Verweise, die Nähe zu real stattfindenden Schlagzeilen und der einmalige Umgang mit der deutschen Sprache beeindruckt mich auch in diesem Buch wieder. Lediglich das Stilmittel der Versalien innerhalb von Sätzen störte anfangs meinen Lesefluss, doch zu einem anderen Zeitpunkt gewöhnte ich mich daran, und ich glaube auch erkannt zu haben, dass er dieses Stilmittel in späteren Kapiteln immer seltener einsetzt.

Mit dieser Kleinigkeit versorgt der Autor seine Kritiker:innen mit Futter, doch wer sich bei seiner Kritik auf dieses Stilmittel beschränkt, der schiebt die Bedeutung des eigentlichen Inhalts gekonnt beiseite.

Das Buch beginnt mit der Geschichte einer jungen Frau, die in ihrem Job bei einem großen Fernsehsender ganz überrascht von ihrem Vorgesetzten „gefördert“ wird, doch das beschränkt sich schon bald nicht mehr auf die berufliche Beziehung, sondern driftet schnell in das Privatleben. Selbstzweifel, Selbstgespräche, Wünsche und Hoffnungen spielen ein emotionales Ping-Pong-Spiel, während Leser:innen dem Buch entgegenschreien: „Mach es nicht!“

Dann folgt die Begegnung eines Ich-Erzählers, der auf eine Frau trifft, die am Pool eine Nachricht von ihrem Vorgesetzten auf ihr Smartphone bekommt, in der die Frage steht: „Noch wach?“ 

Das Buch spricht so viele aktuelle Themen an, die dann noch parallel in den Medien diskutiert werden. Somit verwundert es nicht, wenn dieses Buch so unterschiedlich aufgenommen, interpretiert und besprochen wird. Ich empfinde es als sehr spannend, möchte unbedingt mitreden, mir mein eigenes Bild verschaffen, mag den Autor seit vielen Jahren und kann das Buch einfach nicht weglegen.

Das Buch ist im Verlag „Kiepenheuer & Witsch“ (u.a. auch als KiWi-Verlag bekannt) erschienen, umfasst 384 Seiten und kann unter anderem hier bei Amazon für 25 € als gebundenes Buch gekauft werden. Ebenfalls unter dem Link verfügbar: Kindle-Version, Hörbuch und Audio-CD.  Benjamin von Stuckrad-Barre ist noch bis Juni auf Lesetour. Alle Informationen und Tickets sind auf dessen offizieller Website zu finden. Eine Live-Lesung ist absolut empfehlenswert, da diese unberechenbar sind. So sangen wir vor einigen Jahren in der Stadt Essen in der Zeche Carl den Song „Lemon Tree“, da die Band „Fools Garden“ im Nebensaal ein Konzerte spielte. Es war ein fantastische und mitreißende Stimmung.

Habt ihr das Buch „Noch wach?“ von Benjamin von Stuckrad-Barre gelesen? Interessiert es euch? Was ist eure Meinung? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar.

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