Wir erklären die Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik begründete Rudolf Steiner etwa um 1920 auf der Grundlage einer anthroposophischen Weltsicht mit dem Ziel, die Pädagogik zu reformieren. Sein Konzept führte er an einer 1919 eröffneten Stuttgarter Betriebsschule für Arbeiterkinder durch. Die Arbeiter waren Beschäftigte der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Die Schule gibt es noch, sie heißt jetzt Freie Waldorfschule Uhlandshöhe.

Verbreitung der Waldorfpädagogik

Das Bildungskonzept setzte sich durch, es entstanden alsbald zunächst in Deutschland und später in anderen Ländern weitere Waldorfschulen. Das Konzept wird heute weltweit praktiziert. Das Wittener Institut für Waldorf-Pädagogik wurde 1973 gegründet. Neben Waldorfschulen gibt es auch viele Waldorfkindergärten. In Zahlen stellte sich das Ende 2018 wie folgt dar:

  • Waldorfschulen in Deutschland: 237
  • Waldorfkindergärten in Deutschland: 561
  • Waldorfschulen weltweit: 1.092 in 64 Ländern
  • Waldorfkindergärten weltweit: 1.857 in 65 Ländern

Philosophische und pädagogische Grundlagen der Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik basiert auf dem anthroposophischen Menschenbild, das drei Grundsätze beinhaltet: Freiheit der Kultur, Gleichheit innerhalb einer politischen Gemeinschaft, Brüderlichkeit innerhalb der Ökonomie. Neben dieser politisch-philosophischen Basis gehören die Temperamentenlehre von Rudolf Steiner und seine Lehren von einer Drei- und Viergliederung aller Menschen zu den pädagogischen Grundlagen. Der Mensch gliedert sich demnach in seinen Geist, seine Seele und seinen Leib. Die Pädagogik muss darauf ausgerichtet sein, das Denken, das Fühlen und das Wollen gleichberechtigt auszubilden. Das entspricht anderen, sehr modernen pädagogischen Schulen, die darauf abzielen, kognitive (“Denken”), emotive (“Fühlen”) und motivationale (“Wollen”) Fähigkeiten zu entwickeln. Die Viergliederung nach Rudolf Steiner enthält religiöse Elemente. Sie formuliert darüber hinaus Sieben-Jahres-Zeiträume für die menschliche Entwicklung, eine Auffassung, die auch Psychologen gänzlich anderer Fachrichtungen teilen.

Prinzipien moderner Waldorfschulen

Die meisten der hier zu nennenden Grundprinzipien moderner Waldorfschulen sind allgemein bekannt. Wir wollen sie dennoch der Vollständigkeit halber erwähnen.

Kein Sitzenbleiben

Waldorfschüler durchlaufen 12 Schuljahre ohne Sitzenbleiben. Das funktioniert, indem sich der Lehrplan nach den Begabungen und Veranlagungen der Kinder richtet. Diese werden von Anfang an künstlerisch sehr stark gefördert.

Künstlerisch-handwerklicher Unterricht

Der vielfältige handwerkliche Unterricht dient der lebenspraktischen Orientierung der Schüler und fördert ihre differenzierte Willensbildung. Er enthält sehr starke künstlerische Elemente.

Entwicklungsorientierter Lehrplan

Die Unterrichtsinhalte und Unterrichtsformen orientieren sich an der Entwicklung der Kinder und den jeweiligen Stufen ihrer Entfaltung. Das entspricht der grundlegenden antroposophischen Philosophie. Die Kinder sollen innere Freiheit gewinnen.

Bildhafter Unterricht

Besonders während der ersten Schuljahre findet der Unterricht äußerst bildhaft statt, weil die Urteilskraft der SchülerInnen zunächst reifen muss. Inhalte und Tatsachen werden in Bildern und doch so dargestellt, dass Gesetzmäßigkeiten zu erkennen sind.

Wissenschaftlicher Unterricht

Ab dem 14. Lebensjahr wird verstärkt (auch) wissenschaftlich unterrichtet. Das entspricht dem Streben der SchülerInnen in diesem Alter nach eigener Urteilsbildung. Dabei bleibt der Unterricht sehr praktisch und orientiert sich an Lebensfragen von modernen jungen Menschen.

Epochenunterricht

Dieser Unterricht dient der Wissensvertiefung in Fächern, die das Behandeln geschlossener Sachgebiete erlauben. Das sind die Fächer Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und weitere Fächer dieser Art. In Fächern mit einem hohen Trainingsanteil wie Sprachen werden Fachstunden gegeben.

Zeugnisse und Abschlüsse

Zensuren gibt es nicht, Zeugnisse enthalten detaillierte Charakterisierungen der Leistung und des Leistungsfortschritts, der Begabungslage und der Mitarbeit. Die Abschlüsse sind Mittlere Reife, Fachhochschulreife oder Abitur nach den gesetzlichen Regeln.

Selbstverwaltung

Waldorfschulen verwalten sich selbst unter Mitwirkung der SchülerInnen und Eltern. Eine wöchentliche Lehrerkonferenz nimmt die pädagogische Leitung wahr. Die Lehrer sind gleichberechtigt.

Finanzierung

Waldorfschulen werden nicht, wie staatliche Schulen, vollkommen durch die Länder finanziert, sie erhalten lediglich Zuschüsse. Daher zahlen die Eltern einen Beitrag. Dieser richtet sich nach ihrem Einkommen. Die mangelnde Finanzierung durch die öffentliche Hand steht im Widerspruch zu den anerkannten Abschlüssen der Waldorfschulen.

Bildquelle: Pixabayuser TeroVesalainen

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